Was war wann - Info Chronik 1953

Chronik 1953

1953 befand sich die Welt mitten im „Kalten Krieg“. „Kalt“ wurde dieser Krieg genannt, weil die ideologisch und machtpolitisch diametrale Positionen vertretenden Hauptgegner in diesem globalen Kräftemessen, die USA und die Sowjetunion, nahezu alle Register unsaubererer Auseinandersetzung von Propaganda über Wirtschaftskrieg und Geheimdienstscharmützeln bis hin zur Androhung des atomaren Erstschlags zogen, aber vor dem direkten militärischen Schlagabtausch aus Angst vor den nicht kalkulierbaren Risiken zurückschreckten. „Kalt“ im Sinne von „unbutig“ war der Kalte Krieg aber beileibe nicht. In vielen Weltengegenden wurden mit massiver, moralische Prinzipien missachtender Unterstützung der Sowjetunion oder der USA Stellvertreterkriege geführt, mit Gewalt verbundene Destabilisierungsaktionen durchgeführt oder Aufstände niedergeschlagen, um eigene Einflusssphären zu sichern oder zu erweitern.
Die wichtigsten Ereignisse in diesem Zusammenhang waren 1953 die Beendigung des Koreakriegs und der Volksaufstand in der DDR. Von erheblicher weltpolitischer Bedeutung waren auch die nach dem Tod des sowjetischen Diktators Stalin und nach dem Amtsantritt von Dwight D. Eisenhower als Nachfolger von US-Präsident Truman erfolgenden Neujustierungen der politischen Linien beider Supermächte. Auf bundesdeutscher Ebene waren daneben vor allem das Londoner Schuldenabkommen sowie der Sieg von Bundeskanzler Konrad Adenauer bei den Bundestagswahlen bedeutsam.
Seit 1950 beherrschte der Koreakrieg die Schlagzeilen. Das kommunistische Nordkorea hatte das westlich orientierte Südkorea angegriffen, worauf die USA mit einem Mandat der UNO massiv intervenierten. Das ideologisch von der UdSSR unterstützte Nordkorea bekam im Gegenzug direkte militärische Hilfe durch eine vom „Großen Führer“ der Volksrepublik China, Mao Zedong, geschickten „Freiwilligenarmee“. Ende 1951 war der Krieg zu einem Stellungskrieg erstarrt. Die feindlichen Truppen lagen sich seitdem nach Offensiven und Gegenoffensiven am dem ursprünglichen Grenzverlauf ungefähr entsprechenden 38. Breitengrad gegenüber. Verhandlungen über einen Waffenstillstand zogen sich seitdem zäh und ergebnislos dahin. Eine strittige Frage war die Weigerung Nordkoreas und Chinas, der freien Wahl der sich in UN-Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen für oder gegen die Rückführung in ihre Heimatländer zuzustimmen.
Der Tod Josef Stalins am 5. März hatte eine kurze Phase vorsichtiger Betonung von Entspannungsaspekten der neuen sowjetischen Führung zur Folge. Dadurch wurden die Korea-Verhandlungen erleichtert. In der Frage der rückkehrunwilligen Kriegsgefangenen wurde die Lösung gefunden, sie in den Gewahrsam neutraler Staaten zu übergeben. Am 27. Juli schloss Nordkorea auf Druck der Sowjetunion in Panmunjeom ein Waffenstillstandsabkommen mit der UNO. Danach wurde der 38. Breitengrad als Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea bestätigt und eine entmilitarisierte Zone an dieser Line eingerichtet. Überwacht werden sollte der Waffenstillstand durch die NSC (Neutral Nations Supervisory Commission), die sich aus Offizieren aus der Schweiz, Schweden, der Tschechoslowakei und Polen zusammensetzen sollte. 2013 beging die NSC ihr 60-jähriges Bestehen.
Stalins Tod hatte in der Sowjetunion zu einem Führungswechsel geführt. Bis 1955 teilten Nikita Chruschtschow (Erster Parteisekretär) und Georgi Malenkow (Ministerpräsident) sich zunächst die Macht, bis Chruschtschow 1955 unbestritten zur Nr.1 aufgestiegen war. Als Zeichen der Entstalinisierung der Sowjetunion wurde die Verhaftung des berüchtigten Geheimdienstchefs Lawrenti Beria im Juni gewertet. Beria wurde am 23. Dezember hingerichet.
Die Entwicklungen in der Sowjetunion führten in der DDR Anfang Juni auf Druck Moskaus zur Verkündung des „Neuen Kurses“ der SED- und Staatsführung. Es wurde parteioffiziell mäßige Selbstkritik geübt und einige Maßnahmen des von Parteichef Walter Ulbricht 1952 verkündeten „Planmäßigen Aufbaus des Sozialismus“ zurückgenommen. Nicht zurückgenommen wurden allerdings die insbesondere in der Arbeiterschaft verhassten 10-prozentigen Erhöhungen der Arbeitsnormen. Ermutigt von den Signalen aus Moskau kam es am 12. Juni zu spontanen Protesten in vielen kleinen DDR-Gemeinden. Bei den Aktionen wurden sogar Parteiorgane verprügelt oder in Jauchegruben geworfen. Der Protest breitete sich auf die DDR-Hauptstadt aus. Am 16. Juni legten Bauarbeiter in Ost-Berlins Stalinallee die Arbeit nieder und formierten sich zu Demonstrationszügen. Bei den Demonstrationen wurden nicht nur Forderungen nach Zurücknahme der Normerhöhung laut, sondern zunehmend auch freie Wahlen und ein Ende des SED-Regimes gefordert. Am nächsten Tag brach in der ganzen DDR der „Volksaufstand des 17. Juni“ los. Überall in der DDR wurde ohne zentrale Führung die Arbeit niedergelegt. Es wurden Staats- und Parteieinrichtungen gestürmt und es kam zu Brandstiftungen und Lynchaktionen. Bei blutigen Auseinandersetzungen mit der Volkspolizei wurden zahllose Menschen verletzt.
Die in den Schutz der sowjetischen Armee geflohene DDR-Staatsspitze nahm die Normerhöhungen zurück und erklärte den Aufstand zu einem Werk „faschistischer BRD-Provokateure“. Die Sowjetführung stufte die Ereignisse als systemdestabilisierend ein, verhängte am Mittag des 17. Juni das Kriegsrecht über die DDR und ging mit militärischen Mitteln gegen die Protestler vor. Damit war der Elan des Aufstandes, der etwa 70 Todesopfer gefordert hatte, gebrochen. Nennenswerte Aktionen gegen sowjetisches Militär gab es nicht.
Als Ergebnis wurden Hardliner in der SED wie die Justizministerin Hilde Benjamin oder der Stasi-Staatssekretär Erich Mielke gestärkt. Der DDR-Staat ging hart gegen tatsächliche oder mutmaßliche Aufständische vor. Etwa 1.500 Menschen wurden zu Haftstrafen verurteilt, darunter auch der vergleichsweise liberale Justizminister Max Fechner (acht Jahre Zuchthaus). Bei zwei Angeklagten vollstreckte der Henker das Todesurteil.
In der BRD wurden die Ereignisse des 17. Juni heroisiert und für die anti-kommunistische Propaganda instrumentalisiert. Von 1954 bis zur Wiedervereinigung 1990 war der 17. Juni ein gesetzlicher Feiertag („Tag der deutschen Einheit“).
Das Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar stellte einen außerordentlichen Erfolg bundesdeutscher Verhandlungsführung dar. Gegenstand der Konferenz waren die Staatsschulden, für die die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reich haftete.
Es gelang der deutschen Seite von den Gläubigerstaaten einen erheblichen Nachlass bei Vorkriegs- und Nachkriegszeitschulden zu erreichen. Zahlungen wegen Kriegsreparationsforderungen wurden auf den Zeitpunkt eines Friedensvertrags vertagt. Gleichzeitig wurde die Rückerstattung von Vermögenswerten an Nazi-Verfolgte in einem in Luxemburg verhandelten Abkommen vereinbart. Wenig später (18. März) verabschiedete der Bundestag das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen.
Die ständig wachsende Bedeutung der BRD, die ihre Trümmerzeit hinter sich gelassen hatte und in die Wirtschaftswunder-Zeit eingetaucht war, wurde durch die Einladung von US-Präsident Eisenhower an Kanzler Adenauer zu einem Staatsbesuch im März unterstrichen. Außenpolitisch war der für völlige Westintegration der BRD stehende Adenauer eindeutig auf der Linie Eisenhowers, der die Truman-Doktrin der Eindämmung („Containment“) des Ostblocks schrittweise in eine Doktrin des „Rollback“ verstärkte. Adenauers Ansehen in den USA trugen nicht unerheblich dazu bei, dass er seine Position im September bei den Bundestagswahlen ausbauen konnte. Die CDU legte im Vergleich zu den Wahlen 1949 mehr als 14 % zu und erreichte 45 % der Stimmen. Die nach dem Tod des charismatischen Kurt Schumachers unter der Führung des farblosen Erich Ollenhauer wenig überzeugend wirkende SPD verpasste wieder die 30%-Marke und blieb in der Opposition.
Der 77-jährige Adenauer war in den Augen vieler Bundesdeutscher zu einer Art patriarchalischer Ersatz-Monarch geworden. Royale Sentimentalitäten bei Bundesbürgern brachen sich auch am 2. Juni ihre Bahn. Die junge britische Königin Elisabeth II. wurde an diesem Tag mit imperialen Pomp in London gekrönt und die ganze Welt konnte per TV-Übertragung dabei sein. 1953 hatten nur die wenigsten Deutschen eine eigene Flimmerkiste, deshalb drängten sich die entzückten Massen vor in Gaststätten oder in den Schaufenstern von Fernsehgeschäften ausgestellten Empfängern. (mb)