Was war wann - Info 70er Jahre

70er Jahre

Die Alltagswelt der meisten Bundesdeutschen im Jahrzehnt von 1970 bis 1979, zwischen Prilblumen-Tapeten und Abba-Pop, VW-Golf und Mallorca-Urlaub, „Saturday Night Fever“ und „Tatort“, war von einer allgemeinen Liberalisierung und in der deutschen Geschichte so noch nie gekannten Emanzipierung des Bürgers gegenüber Staat und Kirche geprägt.
Damit einher stand in Verbindung mit einer guten Wirtschaftslage der Beginn einer zumindest teilweisen Egalisierung der Gesellschaft, in der sich unter anderem wegen der Verbesserung von Bildungschancen die Möglichkeiten sozialen Aufstiegs wesentlich erhöht hatten. Diese sich bereits Mitte der 1960er Jahre nach Ende der betont restaurativen Adenauer-Republik andeutende Entwicklung war durch die den Zeitgeist mitbestimmenden Impulse der 68er-Bewegung erheblich beschleunigt worden.
Der gesellschaftliche Wandel war eng mit der allgemeinen politischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Mit dem Schlagworten „Mehr Demokratie wagen“! und „Entspannungspolitik“ wurden zwei Kernaspekte der von 1969 bis 1974 dauernden Bundeskanzlerschaft von Willy Brandt (SPD) umrissen. Es war zum großen Teil Brandts Verdienst, dass die bundesdeutsche Ostpolitik über Verständigungsbemühen zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Polen („Kniefall von Warschau“, 1970 ) und der Tschechoslowakei führte. Auch zur DDR, in der seit 1971 Erich Honecker statt des entmachteten Walter Ulbricht als Parteichef das Kommando hatte, gelang der schwierige Prozess einer Annäherung auf Augenhöhe („Grundlagenvertrag“, 1972 ). Der Name des wegen seiner erfolgreichen Außenpolitik 1971 mit dem Friedensnobelpreis geehrten ersten SPD-Bundeskanzlers ging auch im Zusammenhang mit Höhepunkten deutschen Parlamentsgeschehens in die Geschichte ein. 1972 scheiterte der Versuch von CDU/CSU Willy Brandt durch ein im Bundestag erstmals beantragtes konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen, weil zwei, mutmaßlich vom DDR-Geheimdienst bestochene, Unions-Abgeordnete für Brandt gestimmt hatten. Wenig später stellte Brandt als erster Bundeskanzler im Bundestag aus taktischen Gründen die Vertrauensfrage, um so Neuwahlen zu erzwingen. 1974 trat Brandt zurück. nachdem sein persönlicher Referent Günter Guillaume als DDR-Spion entlarvt worden war.
Brandts Nachfolger Helmut Schmidt (SPD) änderte den oft echt wolkigen Regierungsstil seines Vorgängers und machte sich einen Namen als Macher, dem als ehemaligen Verteidigungs-, Finanz- und Wirtschaftsminister effiziente Antworten auf die Herausforderungen des zweiten Halbjahrzehnts zugetraut wurden. Dazu gehörten unter anderem der durch die Ölkrise 1973 ausgelöste Wirtschaftsabschwung und die Gefährdung der inneren Sicherheit durch die Terroristen der RAF („Rote Armee Fraktion“). Kaum ein Ereignis hat die Diskrepanz zwischen relativ sorglosem BRD-Alltag und bedrückendem Polit-Terrorismus so drastisch deutlich gemacht wie die Ereignisse bei den Olympischen Sommerspielen in München 1972. Das als betont „heitere Spiele“ den NS-Bombast der letzten deutschen Olympischen Spielen 1936 vergessen machende Sport-Spektakel wurde von einem Blutbad des palästinensischen Terror-Kommandos „Schwarzer September“ geschändet. Der die BRD in ihren rechtsstaatlichen Grundsätzen herausfordernde, oft zu Überreaktionen führende Kampf gegen den Terror fand seinen Höhepunkt im düsterern “Deutschen Herbst 1977“ (Ermordung von Buback, Ponto und Schleyer, Entführung des Flugzeuges „Landshut“, Selbstmord führender RAF-Mitglieder im Gefängnis Stammheim).
1978 wurde mit der Filbinger-Affäre in gewisser Weise ein Schlussstrich unter die bis in die 70er Jahre hinein, wenn auch altersbedingt zunehmend ausgedünnt, bestehende personelle Kontinuität von NS-Tätern und BRD-Entscheidungsträgern gezogen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger (CDU) stolperte über seine Vergangenheit als an Todesurteilen beteiligter NS-Marinejurist („Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“) und musste zurücktreten.

Weltpolitisch besonders wichtig war die Endphase des sich durch die Einbeziehung von Laos und Kambodscha zum Indochina-Krieg ausweitenden Vietnam-Kriegs. Das Ende des Krieges wurde im März 1973 gemäß des kurz vorher von den Konfliktparteien geschlossenen Pariser Abkommens durch Abzug der letzten US-Bodentruppen aus Südvietnam eingeleitet. Mit der Eroberung Saigons durch nordvietnamesische Einheiten endete der Krieg am 1. Mai 1975. US-Präsident Richard Nixon hatte durch seine Reisediplomatie (Erster Staatsbesuch eines US-Präsidenten in Moskau und in Peking) und Unterstützung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) aktive Entspannungspolitik betrieben hatte. Einer drohenden Amtsenthebung („Impeachment“) im Zusammenhang mit seiner Rolle in der 1973 bekannt gewordenen Watergate-Affäre kam er nach monatelangen Vertuschungsversuchen („Tricky Dickie“) schlussendlich zuvor und trat am 9. August 1975 zurück. Sein Nachfolger wurde Vizepräsident Gerald Ford, der 1977 das Amt an Jimmy Carter weitergab.
Präsident Carter hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es 1978 zum Camp-David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten kommen konnte und so fünf Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg die Weichen für einen 1979 geschlossenen, die Situation in der Nahost-Region erheblich entschärfenden Friedensvertrag gestellt werden konnten.

In Europa sorgte ein anderer, in den 1960er begonnener und bis in die 1990er Jahre fortgeführter Dauerkonflikt für traurige Schlagzeilen. Der „Bloody Sunday“ vom 30. Januar 1972 (13 zivile Todesopfer) war einer der blutigen Höhepunkte im Nordirland-Konflikt und erschwerte den Dialog zwischen den Parteien erheblich. Weder der britische Premier Edward Heath noch seine Nachfolger im Amt Harold Wilson und James Callaghan gelang es , eine tragbare Friedenslösung zu finden. 1979 wurde Callaghan von der ersten Frau in Downing Street 10 abgelöst: Margaret Thatcher, die „Eiserne Lady“ der Konservativen, wurde rasch zur Ikone der Anhänger einer ausgesprochen unternehmerfreundlichen Politik mit Betonung von „Schlanker Staat“ und „Marktwirtschaft“ („Thatcherismus“).

Im Iran wurde der Schah 1978/79 von der Islamischen Revolution vertrieben. Dem Menschenrechte verachtenden Schah-Regime folgte nahtlos das Menschenrechte verachtende Regime von Ajatollah Khomeini. Mit dem Sieg der linksgerichteten Sandinisten über die Diktatoren-Dynastie Somoza begann für Nicaragua eine bessere Zeit für dei Bevölkerung und im Vatikan wurde mit dem Polen Karol Wojtyla zum ersten Mal seit 1458 wieder ein Nichtitaliener Heiliger Vater. Wojtyla gab sich zu Ehren seines Vorgängers den Papstnamen Johannes Paul II.. Johannes Paul I. war als Nachfolger von Paul VI. am 26. August 1978 zum Papst gewählt worden und 33 Tage später gestorben.

Im Gegensatz zur allgemeinen Trauer beim Tod von Johannes Paul I. löste der Tod des greisen Diktators Franco nicht nur bei vielen Spaniern 1975 Freude aus. Mit Francos Tod begann eine erfolgreiche Demokratisierungsphase Spaniens.
1974 jubelte Deutschland (West) besonders laut. Bei der WM im eigenen Land hatte die Mannschaft von Trainer Schön zwar in der Vorrunde 0:1. gegen die DDR-Auswahl verloren, schließlich aber doch den Weltmeister-Titel errungen. Umso tragischer das Ausscheiden bei der in Argentinien veranstalteten WM 1978 in der Zwischenrunde nach einer Niederlage gegen Österreich („Schmach von Cordoba“). Die DDR war in Argentinien nicht dabei, konnte die BRD aber 1978 trotzdem im Weltmaßstab toppen: Als erster Deutscher flog nämlich mit DDR-Fliegerkosmonaut Sigmund Jähn am 21. August ein Ossie ins All und kein Wessie. (mb)

Entschuldigung, momentan haben wir keine verfügbaren Produkte hier. Bitte untersuchen Sie die Kategorien auf der linken Seite.