Was war wann - Info Chronik 1965

Chronik 1965

In der Bundesrepublik Deutschland war 1965 bei den Bundestagswahlen die Regierungskoalition von CDU und FDP wieder siegreich. Die dadurch bestätigte Kanzlerschaft von Ludwig Erhard (CDU) stand aber von Anfang an unter keinem guten Stern. Dem wie kaum ein anderer Politiker der Nachkriegszeit durch Statur und Gestus das deutsche Wirtschaftswunder verkörpernden Ökonomie-Fachmann Erhard fehlte es in der eigenen Partei, deren meisten Spitzenkräfte ihn nach der langen Kanzlerperiode von Adenauer (1949-1963) lediglich als Zwischenlösung betrachteten, an Rückhalt. Sein politisches Konzept der „Formierten Gesellschaft“ mit dem zentralen sozialpsychologischen Hinweis auf die gegenseitige Abhängigkeit aller Wirtschaftsebenen, insbesondere der Ebenen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, stieß beim tonangebenden Arbeitgeberflügel der CDU/CSU auf Unverständnis. Zudem zeichnete sich Erhards Popularität schmälernd ab, dass die Wirtschaft in der BRD an Schwung verloren hatte.
Innenpolitisch war die Bundesrepublik 1965 von der so genannten „Vergangenheitsbewältigung“, das hieß, mit der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit, so stark wie nie zuvor betroffen. Anlass war die Debatte um die Frage der Verjährung von Nazi-Morden. Mord und Völkermord verjährten damals noch nach 20 Jahren. Das hätte bedeutet, dass zahlreiche Nazi-Mörder 1965 damit hätten rechnen können, dass ihre Taten nicht mehr bestraft werden könnten. Zwar hatten die seit 1963 verhandelten Auschwitz-Prozesse in Frankfurt/Main für Diskussionen in der Öffentlichkeit gesorgt, doch erst die Verjährungsdebatte machte das Thema zwanzig Jahre nach Kriegsende zu einem allgemeinen Streitgegenstand. In diesem Zusammenhang formierten sich nun auch größere Teile der Jugend zur kritischen Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, von der Fragen von Moral und Mitschuld häufig verdrängt oder bagatellisiert worden waren. Ein weiterer Ausdruck wachsender Unzufriedenheit der Jugend mit den Zuständen der Erhard-Republik war die Zunahme von Schüler- und Hochschülerprotesten gegen Missstände im Bildungssystem („Bildungsnotstand“). Protestiert wurde, gern begleitet von dem Rolling-Stones-Hit des Jahres "I Can´t Get No Satisfaction", auch gegen die Notstandsgesetz-Initiative der CDU, die 1965 noch wegen des Widerstands der SPD-Opposition nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag erhielt.
Im Verhältnis zur DDR und deren Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht herrschte auch 1965 weitgehend Eiszeit. Gemäß der BRD-Doktrin vom Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland bestrafte Bonn 1965 Äypten mit Entzug von Wirtschaftshilfe, weil das Land Ulbricht bei einem Staatsbesuch empfangen hatte. Im eigenen Land beendete Ulbricht nach einer kurzen Periode einer vorsichtigen Liberalisierung im Kulturbereich das „Tauwetter“: Beat-Musik wurde verboten und Wolfgang Biermann bekam Auftrittsverbot.
Außenpolitisch lehnte sich die BR Deutschland weiterhin offiziell eng an die USA („Atlantische Partnerschaft“) an. Wegen des massiven militärischen Engagements des 1965 in seinem Amt bestätigten US-Präsidenten Lyndon B. Johnson in Südostasien („Vietnamkrieg“) kam es aber auch in Deutschland (West) 1965 zu ersten Anti-USA-Protesten. Außer durch den Vietnam-Krieg gerieten die USA auch durch gewalttätige Eskalationen bei der Rassendiskriminierungs-Debatte in die Negativ-Schlagzeilen. Hardliner beider Seiten wie der weiße Alabama-Gouverneur Wallace oder der schwarze, am 21. Februar 1965 ermordete, Radikale Malcolm X waren dafür hauptverantwortlich.
Im Weltraum-Wettbewerb stieß die UdSSR 1965 wieder einmal an den USA vorbei. Mit Alexeij Leonow verließ im März zum ersten Mal ein Raumfahrer sein Gefährt und schwebte, lediglich durch einen Verbindungsschlauch gesichert, frei im Weltraum umher. Im November zogen die USA mit dem welt-ersten Rendezvous zweier Raumschiffe (Gemini 6A, Gemini 7) wieder gleich.
Im Kulturbereich sorgte Joseph Beuys mit einer Kunstaktion in Düsseldorf, bei der einem toten Hasen die Kunst erklärt wurde, für Lachen, Grübeln und Aufgeregtheit. Für die Masse der Deutschen war aber der Beginn der US-TV-Krimiserie „Auf der Flucht“ mit David Janssen als Symapthieträger „Dr. Kimble“, die Premiere des ersten Spaghetti-Westerns „Für eine Handvoll Dollar“ mit Clint Eastwood und Franz Beckenbauers erster Einsatz im National-Fußballdress von größerem Interesse. Und selbst eingefleischte Republikaner winkten 1965 begeistert, als Queen Elizabeth auf ihrem legendären Staatsbesuch huldvoll das Volk grüßte. (mb)