Was war wann - Info Chronik 1966

Chronik 1966

Die Sechziger waren neben der Befreiung von Konvention, sexuellen Tabus und einer einengenden Erziehung insbesondere auch eine politisch bewegte Zeit. Selbst Musikinstrumente wurden zum Zweck politischer Proteste eingesetzt, die Jugend begehrte auf, das Mikrophon, die Gitarre wurden zur Waffe gegen Krieg, Korruption und Ungerechtigkeit. Der Überdruß an der bestehenden Ordnung war deutlich zu spüren, selbst das Nehmen von Drogen und das Herumgammeln auf Straßen war als Protest gedacht. Daneben kam es weltweit auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugend und Polizei.
1966 tobte der Vietnamkrieg und durch die Medien zogen grausame Kriegsbilder, die in der Bevölkerung, insbesondere natürlich in den USA, Erschrecken, Mitgefühl und Protest auslösten. Währenddessen initierte Mao in China einen Aufstand der Jugend und legte damit den ersten Stein zu der folgenden gewalttätigen Kulturrevolution, die Geschichte schreiben sollte. Durch einen gesteuerten, kollektiven Fanatismus wurde die Gewaltherrschaft der „Roten Garden“ ins Leben gerufen. Die Kommunisten übernahmen in China die Herrschaft und sorgten für eine Unterdrückung der Kultur und Selbstständigkeit zum Zweck einer durch den Einzelnen wirksamen Arbeitskraft für die neue Wirtschaftsmacht, die dann auch über Leichen ging, anschaulich in den Büchern des Literaturnobelpreisträgers Mo Yan festgehalten, z. B. in „Das rote Kornfeld“ oder „Die Knoblauchrevolte“.
Andernorts erzielte der Wettstreit zwischen Amerika und der Sowjetunion um die Eroberung des Weltalls eine friedliche Nutzung aller Himmelskörper.
Aber auch im kulturellen Bereich geschah 1966 so einiges. Der Minirock hatte sich in der Modewelt endgültig durchgesetzt und war Ausdruck für das jugendliche Selbstbewusstsein der Frau. Die Designerin Mary Quant hatte den Rock zwar nicht tatsächlich erfunden, sondern nur neu entdeckt, war sich aber äußerst bewusst über den Zeitgeist und ließ dann das angesagte Model „Twiggy“ zu der Musik der „Beatles“ über den Laufsteg stolzieren, die ihrerseits einen neuen Trend kreierte, die Androgynität der Jugendlichkeit.
Insbesondere die Sechziger standen für das Hinwenden zur Jugend, die sich gegen die vorangegangenen Generationen neu und spektakulär durchsetzte. Überhaupt war alles auf Jugend getrimmt. Mode, Kunst, Musik, politische Proteste, ein neues Schönheitsideal wurde gesetzt und wies damit das verstaubte Vergangene zurück, um sich selbst neu zu spiegeln und zu feiern. Weltweit machte sich die neue Generation und insbesondere die Befreiung der Frauen bemerkbar. Selbst in Frankreich trat 1966 das Gesetz der juristischen Gleichberechtigung der Frau in Kraft.
Schon Anfang des Jahres zeigten sich die ersten Spuren neuer Bedingungen. In Nigeria brach eine Rebellion aus, der der Premierminister Tafawa Balewa zum Opfer fiel. In Indien wurde zum ersten Mal eine Frau gewählt und übernahm das Amt des Premierministers. Es handelte sich um Indira Gandhi.
In der Sowjetunion wurde Leonid Breschnew zum neuen Generalsekretär der KPdSU ernannt, eine Stelle, die bis 1952 auch Josef Stalin innehatte und die unter ihm unantastbar geworden war. Den asiatischen Staaten bot sich das Land unter Breschnew nun als verlässlicher Parner an.
In Amerika führten mehrere Umstände zu neuen Entwicklungen. Neben dem immer lauter werdenden Protest gegen den Vietnamkrieg begannen auch die Schwarzen, sich gegen die eigene Unterdrückung und Rassentrennung im Land durchzusetzen. Es bildete sich die Ära der „Black Panthers“, jener Schwarzenbewegung, die sich für die Rechte der schwarzen Bevölkerung einsetzte und das äußerst gewalttätig. Daneben geriet der Fürsprecher und Bürgerrechtler Martin Luther King im Weißen Haus zur „persona non grata“, da er sich in seinen Reden nicht nur für die Verbesserung aller Bedingungen der Schwarzen einsetzte, sondern sich auch lautstark gegen den Vietnamkrieg aussprach.
In der Kunst setzten sich vor allen Dingen die Pop-Art-Künstler durch. Andy Warhol zeigte seine auf Leinwand gedruckten Suppendosen und porträtierte die Stars als künstlerische Vervielfältigung in etlichen Nebeneinander-Gesichtern, Robert Rauschenberg stellte seine eigenwilligen Collagen aus, Claes Oldenburg seine Müll- und Alltagsgegenstandsvariationen, Roy Lichtenstein seine Comic-Strips auf Leinwand. Der Alltag zog in die Kunst ein und entmystifizierte sie. Werbung und Kunst vermischten sich, Kunst und Party waren wichtige Begleitumstände. Die Kunstszene bildete eine eigenständige Welt in der Welt der Ereignisse, die sich auch in den langgezogenen Statuen von Alberto Giacometti äußerte, der Anfang des Jahres verstarb. Ebenso starb 1966 André Breton, der Begründer des Surrealismus’.
Musikalisch hatten neben den „Beatles“, die durch den Ausspruch von John Lennon, die „Beatles“ seien nun so populär wie Jesus Christus, einen ganz eigenen Eklat in Amerika auslösten, vor allen Dingen „The Mamas and the Papas“, „The Monkees“, „The Rolling Stones“, „The Beach Boys“ und natürlich „Simon and Garfunkel“ das Sagen. Der Montag wurde zum Thema eines angesagten Songs der „Mamas and the Papas“, „The Monkeys“ sangen „I’m a Believer“, mit „Good Vibrations“ gingen „The Beach Boys“ an Land und Bob Dylan brachte sein bestes Album „Blonde on Blonde“ heraus.(mb)