Was war wann - Info Chronik 1969

Chronik 1969

Das welthistorische Ereignis des Jahres 1969 war die Mondlandung von zwei US-Amerikanern. Das legendäre Woodstock-Musikfestival im US-Bundesstaat New York ging als Peace-Mythos und Gegenentwurf des vom Vietnam-Krieg geprägten Bildes vom „Hässlichen Amerikaner“ in die Kulturgeschichte ein.
Zu den wichtigsten politischen Entwicklungen in Europa gehörten 1969 der Rücktritt des französischen Präsidenten de Gaulle und der Beginn der ersten bundesdeutschen SPD-Kanzlerschaft, die unter anderem den Annäherungsprozess zwischen Ost und West begünstigte. In der britischen Provinz Nordirland begann 1969 ein mit den verharmlosenden Begriff „The Troubles“ benannter Konflikt, der bis 1998 3500 Tote forderte und eine Hass-Schneise zwischen protestantische und katholische Nordiren schlug.
Am 21. Juli 1969 (Weltzeit UTC) machte Neil Armstrong seinen berühmten kleinen Schritt von der Stufe der Mondfähre EAGLE auf den staubigen Boden des Mondes: Der erste Mensch hatte um 3 Uhr 56 MEZ (2:56 h UTC) den Mond betreten. Kurz nach ihm hoppste Kollege Buzz Aldrin als Mondmann Nr. 2 auf den Erdtrabanten. Und über eine halbe Milliarde Menschen in aller Welt waren per TV-Übertragung dabei. Von Verschwörungstheoretikern sind zwar sofort Thesen aufgestellt worden, dass das Ereignis ein reiner Fake gewesen sei, aber diese Ansicht blieb eine absolute Mindermeinung. Die meisten Menschen waren begeistert, vor allem in den USA. 1961 hatte Präsident John F. Kennedy versprochen, dass die USA beim Wettlauf im All die Nase vor der UdSSR haben würden und noch in den 60er Jahren einen Menschen auf den Mond landen lassen werden. Mit Rückkehrgarantie. Tatsächlich schafften es Armstrong und Aldrin auch wieder auf Mutter Erde zurück.
Im Monat darauf sorgte ein anderes mediales US-Ereignis für Schlagzeilen. Von 15. bis zum 18. August hatten 400.000 Besucher etwa 130 km nordwestlich von New York am Woodstock-Festival teilgenommen. Bei der Massenveranstaltung traten mit Jimi Hendrix, Joan Baez, Jefferson Airplane, Joe Cocker, Janis Joplin und The Who einige der populärsten Interpreten der damaligen Rock-Szene auf. Das kommerzielle Festival sollte die Finanzierung eines Plattenstudios im Dorf Woodstock, New York, sichern und wurde deshalb unter dem Namen „Woodstock Music And Art Festival“ beworben. Ursprünglich sollte das Festival im etwa 50 km südlich von Woodstock gelegenen Ort Walkill stattfinden. Proteste der Anwohner, zu denen auch Bob Dylan gehörte, machten eine Umplanung notwendig. Das Event fand schließlich auf einer 250-Hektar-Weide beim 4000-Einwohner-Ort Bethel statt. Die Veranstalter hatten mit etwa 50.000 Besuchern gerechnet. Durch den unerwarteten Massenansturm kam es zu chaotischen Zuständen, bei denen es aber überaus friedlich blieb. Das US-Militär musste wegen der desolaten Organisation mit Hubschraubern Sanitäter und Notverpflegung einfliegen. Das als akustisches Symbol für den Vietnam-Krieg verhasste Geräusch von Militär-Hubschrauber-Rotoren vermischte sich ironischerweise live mit den Klängen der von Jimi Hendrix als Protest gegen den Krieg musikalisch zerhackten Nationalhymne „Star Spangled Banner“.
Durch den 1970 uraufgeführten Dokumentar-Film „Woodstock“ wurde das für die Veranstalter zunächst zu einem finanziellen Fiasko gewordene Festival zu einem Geld-Erfolg und vor allem zum Mythos von „Peace & Music“.
Anders als beim chaotischen, aber friedlichen Kommerz-Woodstock-Festival ging es beim vom Rolling-Stones-Management mitorganisierten Altamont Free Concert in Kalifornien am 6. Dezember nicht nur chaotisch, sondern auch blutig zu. Mehrere Unfalltote und ein während des „Under My Thumb“-Auftritts der Stones von einem „Hells Angels“-Ordner erstochener Randalierer hinterließen einen dumpfen Eindruck. Zu dieser düsteren Stimmung, die den Abgesang der Hippie-Bewegung begleitete, passte der pessimistische Schluss im 1969er Kult-Roadmovie „Easy Rider“: Die „Hippies“ Dennis Hopper und Peter Fonda werden von Rednecks umgebracht.
Der auch unter dem 1969 vereidigten 37. US-Präsidenten Nixon fortgesetzte Vietnam-Krieg sorgte zum wiederholten Mal für Entsetzen in den USA und in der Welt. 1968 hatten US-Soldaten in südvietnamesischen Ort My Lai ein Massaker verübt und 500 Zivilisten ermordet. Erst im Dezember 1969 wurde dieses Verbrechen durch einen LIFE-Bericht weltweit publik. Das Massaker von My Lai verstärkte die wachsende Kriegsmüdigkeit in den USA erheblich.
Auf der anderen Seite des Atlantiks hatten sich die uralten, von Extremisten geschürten Zwistigkeiten zwischen dem katholischen und dem protestantischen Bevölkerungsteil in Nordirland zum offenen Konflikt entwickelt. Am 12. August begannen tagelange Straßenschlachten in Derry (Londonderry), bei denen acht Menschen getötet wurden. Die nordirische Provinzregierung rief die britische Armee zu Hilfe, die den Konflikt aber nicht beenden konnte, sondern im Ergebnis sogar verstärkte.
In Frankreich endete 1969 eine Ära. Als Folge der Pariser Mai-Unruhen 1968 war die politische Stellung des seit 1959 an der Spitze der V. Republik stehenden, zum Paternalismus neigenden Präsidenten Charles de Gaulle erschüttert. Der ein Frankreich von Resistance und Großmacht-Gloire verkörpernde de Gaulle knüpfte sein politisches Schicksal schließlich an ein Referendum über die Reform der Regionalverwaltung. Die Ablehnung der im Grunde in der Bevölkerung durchaus populären Reform durch die Volksabstimmung wurde als Votum gegen de Gaulle gewertet. Der 78-jährige de Gaulle zog die Konsequenzen. Er trat am 28. Juni als letzter der die Zeit der unmittelbaren Nachkriegszeit entscheidend mitgestaltenden Politiker ab.
In Deutschland deutete sich ebenfalls ein wesentlicher Wandel an. In der DDR, die 1969 mit der Einweihung des Ost-Berliner Alexanderplatz-Fernsehturms Weltstadtniveau bewiesen hatte, wurde die Position des 76-jährigen „Spitzbarts“ Walter Ulbricht als SED-Parteichef zunehmend unsicherer. Vor allem seine selbstbewussten Statements, dass die gesellschaftliche Entwicklung vom Sozialismus zum Kommunismus in der DDR ähnlich fortgeschritten sei wie in der Sowjetunion, hatten in Moskau zu Verstimmung geführt. Auch die eher bremsende Wirkung Ulbrichts im Ost-West-Dialog ließen ihn für KPdSU-Chef Leonid Breschnjew zum Auslaufmodell werden. Der Sowjetunion war 1969 sehr daran gelegen, mit dem Westen in einen Dialog zu kommen. Dabei spielten wirtschaftliche Gründe eine Rolle, aber auch der Konflikt mit dem sich aus dem Schatten der kommunistischen Führungsmacht gelösten Volksrepublik China. 1969 kam es zwischen den einstigen Bruder-Staaten sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen wegen strittiger Grenzverläufe am fernöstlichen Fluss Ussuri.
Unterstützung konnte Breschnjew von der neuen Regierung in der BRD erwarten. Bereits durch die Wahl des ersten SPD-Bundespräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik am 5. März war ein Stimmungswandel im Land deutlich geworden. Mit Gustav Heinemann stand ein Mann an der repräsentativen Spitze des Staates, der mehr Demokratie und ein neues Verhältnis zum Osten forderte. Am 28. September erhielt die SPD bei der Bundestagswahl genügend Stimmen, um zusammen mit der von Walter Scheel geführten FDP die zwanzigjährige CDU-Kanzlerherrschaft zu beenden. Kanzler Willy Brandt (SPD) trat an, ein “modernes Deutschland“ zu schaffen und „mehr Demokratie“ zu wagen. Eine der ersten Amtshandlungen der sozialliberalen Regierung war es, die DDR nicht mehr wie bis dahin üblich offiziell mit Anführungszeichen zu benennen. Das Ende der „Gänsefüßchen-DDR“ (DDR statt „DDR“) signalisierte eine neue Ost-Politik. In der Springer-Presse hielt sich die „Tüddelchen-DDR“ allerdings noch bis 1989.
1969 war auch das Jahr, in dem die erste Folge des ZDF-„Kommissars“ mit Erik Ode für biedere Spannung sorgte, Günter Grass seinen Roman-Aufreger „Örtlich betäubt“ vorstellte und Mario Puzos Mafia-Thriller „Der Pate“ erschien.