Was war wann - Info Chronik 1978

Chronik 1978

Der wegen seiner Erdöl- und Erdgas-Reserven geopolitisch bedeutende Mittelost-Staat Iran wurde seit 1941 vom Schah Mohammad Reza Pahlavi (Mohammed Reza Pahlewi) regiert. Das autoritäre, oft operettenhafte Züge annehmende Regime konnte lange mit der Unterstützung der USA und des übrigen Westens rechnen. In Deutschland war der „Kaiser von Persien“ durch die Klatschpresse bekannt gemacht worden. Die Scheidung von seiner ersten Frau, der deutsch-iranischen Diplomatentochter Soraya, verschaffte dem Schah und seiner Familie Dauerpräsenz in der deutschen Yellow Press. Die Ereignisse beim Staatsbesuch des Schahs in der BRD 1967 („Prügelperser“, Erschießung des Studenten Benno Ohnesorge) gehörten zu Auslösern der deutschen Studentenbewegung. Der von Modernisierungen auf wirtschaftlichem Gebiet, Verwestlichung der Gesellschaft sowie Missachtung der Menschenrechte und Terror des Geheimdienstes Savak geprägte Kurs des Alleinherrschers brachte ihm nicht nur die Opposition linksgerichteter und liberal-demokratischer Kreise, sondern auch den wachsenden Widerstand des konservativen Händler-Mittelstands („Basaris“) und der schiitischen Geistlichkeit ein. Der ultraorthodoxe Ajatollah Ruhollah Chomeini (Khomeini) wurde schließlich zur Leitfigur dieses Widerstandes und zum Führer der Islamischen Revolution im Iran. Die inneren Spannungen im Land eskalierten am 8. September zum „Schwarzen Freitag“. Demonstrationen hatten den Schah zwei Tage vorher zur Ausrufung des Kriegsrechts veranlasst. Am 8. September kam es zu blutigen Aktionen von Militäreinheiten gegen Demonstranten, bei denen viele Menschen getötet wurden. Chomeinis Aufruf zum Aufstand und Generalstreik wurde zwar nicht gefolgt und der Religionsführer wurde des Landes verwiesen, doch gelang es seinen Anhängern, die Unruhe im Land weiter zu schüren. Parallel dazu glückte es Chomeini im Pariser Exil, sich im Ausland als eine Art iranischer Gandhi zu stilisieren, der dem Land Frieden und Freiheit bringen wollte. Der Rückhalt des Schahs im Innern und bei den westlichen Staaten verringerte sich rapide. Die 1978er Ereignisse ebneten den Weg für den Durchbruch der Islamischen Revolution im Folgejahr.
Auch im seit 1977 von einem Bürgerkrieg zerrütteten Nicaragua wurden 1978 wichtige Weichen für einen Umsturz im Folgejahr gestellt. Die Erstürmung des Präsidentenpalastes in Managua durch die linksgerichteten Sandinisten am 22. August wurde von der Weltöffentlichkeit als Indiz für einen bevorstehenden Zusammenbruch der Diktatoren-Herrschaft von Anastasio Somoza gedeutet.
In Afghanistan kam es 1978 zu einem erfolgreichen Aufstand. Die einen Kurs der Blockfreiheit verfolgende Regierung des Präsidenten Mohammed Daoud Khan, der 1973 durch einen unblutigen Putsch an die Macht gekommen war, wurde bei einem von der Sowjetunion durch Bomber-Einsatz unterstützten Aufstand der kommunistischen Demokratischen Volkspartei gestürzt. Daoud und seine Familie wurden am 28. April bei dem Umsturz erschossen. Zynischerweise hieß es in offiziellen Verlautbarungen der neuen Machthaber, Daoud sei aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten.
Der hoffnungsvolle Friedensprozess zwischen Ägypten und Israel wurde von einem Terrorschlag der Palästinenser-Organisation Fatah überschattet. Am 11. März verübte ein aus dem Libanon eingedrungenes Fatah-Kommando ein Blutbad, bei dem 10 Kinder und 27 Erwachsene ermordet und mehr als 70 weitere Zivilisten verletzt wurden („Küstenstraßenmassaker“). Als Reaktion marschierte die israelische Armee in den südlichen Libanon ein und tötete in einer Zwei-Wochen-Aktion („Operation Litani“) 1000 bis 2000 tatsächliche oder vermeintliche Terroristen. Trotz dieser Eskalation gelang es US-Präsident Jimmy Carter, Ägyptens Präsident Sadat und Israels Regierungschef Begin zur Unterzeichung des Camp-David-Abkommens am 17. September zu bewegen. Durch das Abkommen erhielten Westjordanland und Gazastreifen einen auf fünf Jahre befristeten Autonomie-Status. Außerdem wurden durch das Abkommen Verhandlungen über einen Friedensvertrag möglich gemacht.
1978 wurde auch Italien von Terror erschüttert. Der prominente Christdemokraten-Politiker Aldo Moro wurde am 16. März von der linksextremistischen Organisation Rote Brigaden entführt. Dabei ermordeten die Terroristen Moros fünf Leibwächter. Die Forderungen der Entführer nach Freilassung von Häftlingen wurden nicht erfüllt. Daraufhin erschossen die Entführer ihre Geisel nach 55-tägiger Gefangenschaft.
Der seit Jahrzehnten mit Aldo Moro befreundete Papst Paul VI. hatte sich vergeblich als Austauschgeisel angeboten. Möglicherweise hat die Ermordung Moros zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes des 80-jährigen Heiligen Vaters geführt. Am 6. August verstarb Paul VI. in Castel Gandolfo. Zu seinem Nachfolger wurde der 65-jährige Italiener Albino Luciani gewählt, der aber nach nur 33 Tagen als Papst Johannes Paul I. am 28. September starb. Mit dem Polen Karol Wojtyla (58) wurde in seiner Nachfolge erstmals ein Slawe Papst. Das Pontifikat von Johannes Paul II. dauerte bis 2005.
Das spektakulärste innenpolitische Ereignis des Jahres in Deutschland war die Affäre um den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU). Den konservativen Politiker holte seine Vergangenheit als Nazi-Richter ein. Filbinger wurde vorgeworfen, in seiner Funktion als Marine-Richter Todesurteile 1945 gefällt zu haben. Der vom Schriftsteller Rolf Hochhuth in diesem Zusammenhang als „furchtbarer Jurist“ gescholtene Filbinger geriet vor allem in negatives Licht, weil er seine Beteiligung an diesen Urteilen zunächst abgestritten hatte und später mit der formalen Rechtmäßigkeit des 1945 geltenden Militärstrafrechts zu rechtfertigen versuchte. Filbinger verlor während der sich über vier Monate hinziehenden öffentlichen Diskussion zunehmend an Rückendeckung von CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und trat schließlich am 7. August als baden-württembergischer Ministerpräsident zurück.
In der DDR wurde 1978 als das Jahr gefeiert, in dem mit Kosmonaut Sigmund Jähn ein Ost-Bürger als erster Deutscher im Weltraum war. Am 7. Januar feierte Argentinien die Geburt des ersten Menschen auf dem antarktischen Festland: Offizierskind Emilio Palma kam im argentinischen Antarktis-Stützpunkt Esperanza auf die Welt. Ein halbes Jahr später, am 25. Juli, erblickte mit der in vitro gezeugten Louise Joy Brown im englischen Oldham das erste “Retortenbaby“ das Licht der Welt.
Für Fernsehzuschauer war die Erstausstrahlung der Folge 1 der US-Soap „Dallas“ am 2. April von historischer Bedeutung, Kinogänger staunten bei der Premiere von „Superman“ über Christopher Reeves Muskeln und die fünf US-Tophits 1978 waren sämtlich Disco-Musik-Titel. (mb)